6.1 Was ist arbeitsbezogenes Lernen?

6.1 Was ist arbeitsbezogenes Lernen?

Wir sind sicher, dass Sie als Mentor:in auf die eine oder andere Weise bereits von arbeitsbezogenem Lernen in Ihrer Arbeit Gebrauch gemacht haben.

In diesem Kapitel werden wir jedoch mit Ihnen einige grundlegende Konzepte in Bezug auf arbeitsbezogene Lernmöglichkeiten analysieren. Wir werden verschiedene Aspekte des berufsbegleitenden Lernens durchgehen, um eine bessere Vorstellung davon zu bekommen, was es aus theoretischer Sicht ist und wie Sie es besser nutzen können, um Ihre Mentees zu motivieren, ihren Bildungsweg fortzusetzen oder in den Arbeitsmarkt einzutreten. Im Abschnitt „Nützliche Ressourcen“ dieses Kapitels finden Sie außerdem nützliche Links zur Vertiefung des Themas sowie zusätzliche Lektüre und Hilfsmittel, die Sie bei Ihrer Arbeit zur Vertiefung Ihrer Kenntnisse verwenden können.

Was verstehen wir also unter dem Begriff des arbeitsorientierten Lernens?

Arbeitsgestütztes Lernen (auch Work-Based-Learning genannt) ist eine Bildungsstrategie, die die Lernenden in ein Arbeitsumfeld bringt (sowohl in einem realen Umfeld als auch durch Simulationen und Workshops). Es bietet daher praktische Arbeitserfahrungen, um die Lernenden besser auf die anspruchsvolle Arbeitswelt vorzubereiten. Es bietet den Lernenden die Möglichkeit, die Theorie in die Praxis umzusetzen und das im Klassenzimmer Gelernte in einem realen Kontext zu erkunden. Nicht zuletzt gibt es ihnen die Möglichkeit, darüber nachzudenken, was sie nach dem Schulabschluss tun wollen, oder allgemein über ihre berufliche Zukunft nachzudenken.

 

Einige der häufigsten Arten von WBL sind die folgenden:

  1. Ausbildung und Praktikum: Sie sind die ersten Arten von WBL. Sie helfen dabei, berufliche Qualifikationen zu erwerben. Der Lernende verbringt einen großen Teil seiner Zeit im Arbeitsumfeld und lernt den Beruf in der Praxis kennen. Jede Lehre / jedes Praktikum beinhaltet einen Ausbildungsvertrag zwischen dem Auszubildenden und der/m Arbeitgeber:in, der beide für die Dauer der Ausbildung rechtlich bindet. Lehrlingsausbildungen können Einzelpersonen die Möglichkeit geben, ein Einkommen zu erzielen und gleichzeitig eine Qualifikation zu erwerben. Die Rechtsvorschriften für Lehrstellen und Praktika sind in den einzelnen EU-Ländern unterschiedlich.
  2. Strukturierte Praktika oder lehrplanorientierte Praktika: Sie dienen dem Erwerb einer bestimmten, oft anerkannten Kompetenz und können je nach Bildungsgang verpflichtend oder wahlweise sein.
  3. Berufserfahrung oder nicht- lehrplanorientierte Praktika: Sie geben jungen Menschen die Möglichkeit, sich auszubilden und auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten, indem sie dem Mentee reale Erfahrungen in einem Beruf vermitteln. Sie sind nicht in einen formalen Berufsbildungskurs eingebettet. Aus der Sicht der Lernenden sind Arbeitserfahrungen eine großartige Möglichkeit, ihre berufliche Laufbahn zu entwickeln, sei es auf bezahlter oder unbezahlter Basis.

In der Literatur werden auch Job-Shadows, Job-Messen, Betriebsbesichtigungen und formelle Gespräche mit Arbeitgebern als WBL-Erfahrungen genannt, die vor allem für Schüler der Sekundarstufe genutzt werden können, die ihre ersten Kontakte mit dem Arbeitsmarkt haben. Zu den WBL-Möglichkeiten für NEETs können wir auch die EU-Jugendgarantie zählen, wie im OECD-Bericht „Berufsbezogenes Lernen für gefährdete Jugendliche: Arbeitgeber mit ins Boot holen“[1]

WBL überbrückt die Kluft zwischen theoretischem Lernen und praktischem Lernen (oder Learning by doing) und hilft den Mentees, effektiver zu lernen.

Zu den weiteren Vorteilen von WBL-Erfahrungen gehören die Verbesserung des Bewusstseins der Mentees für Karrieremöglichkeiten sowie die Möglichkeit, verschiedene Berufe zu erkunden:

  • Die Möglichkeit, Beziehungen zu anderen erwachsenen Vorbildern als Familien, Freund:innen und Lehrer:innen aufzubauen, um das Unterstützungsnetz der Mentees zu erweitern;
  • Erwerb von Erfahrungen, Kompetenzen und Fähigkeiten am Arbeitsplatz auch im Hinblick auf eine persönliche und berufliche Entwicklung;
  • Festlegung individueller Karriereziele auf der Grundlage von Erfahrungen am Arbeitsplatz.

 

Das berufsbegleitende Lernen kann sich an folgende Zielgruppen richten:

  • Schüler:innen der Primar- und Sekundarstufe, die arbeitsorientierte Projekte oder Besichtigungen in lokalen Unternehmen durchführen;
  • Berufsschüler:innen, die im Rahmen ihres Ausbildungsprogramms ein Praktikum absolvieren;
  • Lehrlinge;
  • Erwachsene Lernende, die sich auf dem Arbeitsmarkt befinden (oder in den Arbeitsmarkt eintreten wollen) und an einer Weiterbildung teilnehmen, um ihre Beschäftigungschancen zu verbessern (unsere potenzielle Zielgruppe!);
  • Junge Menschen (unsere Zielgruppe!), die im Rahmen einer WBL-Aktivität sowohl Hard- als auch Soft Skills erwerben möchten.

Natürlich bringt WBL auch den Arbeitgebern Vorteile, auch wenn diese nicht immer so offensichtlich sind.

Im Falle der Arbeitgeber:innen kann WBL positive Beziehungen zur Bildungswelt aufbauen, indem es dazu beiträgt, besser vorbereitete und motivierte potenzielle Mitarbeiter:innen zu finden. Darüber hinaus lernen die Arbeitgeber:innen die Kenntnisse und Fähigkeiten der heutigen Studierenden kennen und knüpfen Kontakte zu potenziellen Kandidat:innen für Stellen, die im Unternehmen verfügbar sein könnten.

Und schließlich stärkt es die Aufsichts- und Führungskompetenzen der Mitarbeiter:innen durch ihre Rolle als betriebliche Tutor:innen für die Mentees.

Als letzter Punkt unseres kurzen Überblicks darüber, was wir mit arbeitsbezogenem Lernen meinen, ist es von grundlegender Bedeutung, dass Sie sich der verschiedenen Akteur:innen bewusst sind, die an einer WBL-Aktivität beteiligt sein können.

Sie können in Schulen, Hochschulen, Universitäten, bei Bildungsanbietern oder in der Erwachsenenbildung und bei Dienstleistungsanbietern tätig sein: in diesem Fall können sie Lehrer:innen, Ausbilder:innen, Mentor:innen/Tutor:innen, Erzieher:innen, Berufsberater:innen/Berufscoaches und Unterrichtsassistent:innen sein. In Unternehmen / Betrieben werden sie von Manager:innen zu Mitarbeitern:innen, Personalverantwortlichen und einzelnen Mitarbeiter:innen, die die Rolle einer/s Tutor:in oder Berater:in im Unternehmen übernehmen.

Abschließend ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die WBL-Politiken auf nationaler Ebene sehr vielfältig sind und eine breite Palette von Praktiken des arbeitsbezogenen Lernens abdecken. In einigen europäischen Ländern hat WBL eine lange Tradition, oft im Rahmen der beruflichen Bildung, wie in Österreich und Deutschland. In anderen Ländern ist WBL als neuer Trend anerkannt, z. B. in Irland, Finnland, Frankreich und den Niederlanden. Für Sie als Mentor:in ist es nützlich, die WBL-Politik und -Praktiken Ihres Landes zu kennen und zu wissen, wie Sie diese auf die Zielgruppe von Beyond NEET(D)s anwenden können.

 

Reflektierende Fragen an die Lesenden:

  1. Denken Sie an Ihre Gruppe von Mentees, wie können sie Ihrer Meinung nach von einer berufsbezogenen Lernerfahrung profitieren?
  2. Welche Verbindungen haben Sie bereits, um eine WBL-Aktivität für Ihre Mentees zu implementieren?
  3. Welche zusätzlichen Vorteile, abgesehen von den in diesem Unterkapitel genannten, sehen Sie für Arbeitgeber:innen, die sich an WBL beteiligen?

 

[1] Abgerufen am 03. November 2021 von https://www.oecd.org/education/skills-beyond-school/work-based-learning-for-youth-at-risk.htm.