4.2 Kommunikationsrahmen II: Motivierende Gesprächsführung

4.2 Kommunikationsrahmen II: Motivierende Gesprächsführung

Motivational Interviewing (MI)

Motivational interviewing ist ein Beratungsansatz, der den Menschen helfen soll, die Motivation für eine positive Verhaltensänderung zu finden.

Miller und Rollnick definieren die motivierende Gesprächsführung als eine Klient:innen-zentrierte Methode zur Stärkung der intrinsischen Motivation zur Veränderung durch Erkundung und Auflösung von Ambivalenzen.  Mit anderen Worten: Es handelt sich um einen Beratungsansatz, der Menschen dabei hilft, die Motivation für eine positive Verhaltensänderung zu finden. MI wurde ursprünglich von William Miller und Stephen Rollnick zur Behandlung von Suchtkrankheiten (Alkohol- und Nikotinsucht) entwickelt. Motivational Interviewing ist einzigartig in der Art und Weise, wie von den Menschen erwartet wird, dass sie Verantwortung für ihr Leben übernehmen.

 

Der Grundgedanke von Motivational Interviewing

Grundlage ist die freiwillige Mitarbeit an der Veränderung, die der Mentee erreichen möchte.

Zusammenarbeit (anstelle von Konfrontation)

Die Zusammenarbeit ist eine Partnerschaft zwischen der/dem Mentor:in und dem Mentee. Die Beziehung basiert auf der Sichtweise und den Erfahrungen des Mentees. Die Zusammenarbeit fördert die Beziehung und das Vertrauen in die Mentoring-Beziehung. Sie bedeutet nicht unbedingt, dass die/der Mentor:in mit dem Mentee über die Art des Problems übereinstimmt. Obwohl die/der Mentor:in und der Mentee die Dinge unterschiedlich sehen können, ist der Beratungsprozess auf gegenseitiges Verständnis ausgerichtet.

Erweckung (statt Bildung)

Die Methode geht davon aus, dass die Motivation zur Veränderung bei den Mentees selbst liegt. Diese intrinsische Motivation zur Veränderung wird durch die Nutzung der eigenen Wahrnehmungen, Ziele und Werte des Mentees verstärkt.

Autonomie (über Autorität)

Einfach ausgedrückt: Es liegt am Mentee, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sein Verhalten zu ändern. Sie müssen sich selbst darum bemühen. Dieser Ansatz überträgt den Mentees die persönliche Verantwortung für ihr Handeln. Die/der Mentor:in unterstreicht, dass es mehrere Möglichkeiten der Veränderung gibt und nicht nur einen einzigen „richtigen Weg“.

 

Vier grundlegende Prozesse

MI besteht aus vier zentralen, Kund:innen-zentrierten Prozessen, die zusammenarbeiten, um Einzelnen zu helfen, ihre Ziele zu definieren und sich auf sie zuzubewegen. Diese Prozesse arbeiten zusammen, um Mentees zu ihrer Motivation für Veränderungen zu führen.

1. Einbindung
Der Aufbau einer guten Beziehung zwischen Mentee und Mentor:in ist ein grundlegender Bestandteil von Motivationsgesprächen. Qualitäten wie Einfühlungsvermögen, Akzeptanz, Konzentration auf die Stärken des Mentees und gegenseitiger Respekt bilden die Grundlage für eine solche Beziehung. Die/der Mentor:in versucht, so zu denken und zu fühlen wie der Mentee. Für den Mentee ist es sehr wichtig, gehört und verstanden zu werden. Diese Haltung erleichtert es, die Erfahrungen, Gedanken und Gefühle des Mentees ausführlich zu teilen.

2. Fokussierung
Einige Mentees wissen genau, was sie in ihrem Leben ändern wollen, andere wissen nicht, was sie ändern wollen oder sollten. Sie sind nur unzufrieden, kennen aber weder die Ursachen noch die Möglichkeiten, etwas zum Besseren zu verändern. Beim Fokussieren geht es darum, den Mentees dabei zu helfen, herauszufinden, was ihnen wirklich wichtig ist, und diese Informationen zu nutzen, um das Ziel der gemeinsamen Zusammenarbeit festzulegen. Die Ziele sollten natürlich von Mentee und Mentor:in gemeinsam vereinbart werden.

3. Erwecken
Sobald ein Schwerpunkt identifiziert und vereinbart wurde, geht es beim Erwecken darum, das persönliche Interesse und die Motivation des Mentees zur Veränderung zu entdecken. Die Fähigkeit zu erkennen, wenn Mentees etwas sagen, das darauf hindeutet, dass sie bereit sind, sich zu verändern, ist ein wesentlicher Bestandteil des Erweckungsprozesses.

4. Planung
Das Wichtigste am Planungsprozess in der motivierenden Gesprächsführung ist, dass der Plan von den Mentees kommt und auf ihren einzigartigen Werten, Bedürfnissen und ihrer Selbsterkenntnis basiert. Jeder der vier Prozesse ist darauf ausgerichtet, die Veränderungsmotivation des Mentees zu fördern und aufzubauen. Jeder Versuch seitens der/des Mentor:in, während des Planungsprozesses „die Zügel in die Hand zu nehmen“, kann das Gefühl der Eigenverantwortung des Mentees untergraben oder umkehren.

Dennoch sind Sie als Mentor:in dafür verantwortlich, Ihr Fachwissen einzubringen, wenn dies gerechtfertigt ist. Mentees können zum Beispiel klar zum Ausdruck bringen, dass sie sich verändern wollen, müssen oder bereit sind, sich zu verändern, aber sie wissen nicht, wie sie das anstellen sollen. In dieser Situation kommt Ihr Fachwissen ins Spiel.

 

Reflektierende Fragen an die Lesenden:

  1. Was sind die vier grundlegenden Prozesse der Methode des Motivational Interviewing und wie können Sie sie erfolgreich anwenden?
  2. Warum müssen die Ziele der Beratung auf den Bedürfnissen und der Motivation des Mentees beruhen und nicht auf den Bedürfnissen und der Motivation der/des Mentor:in?